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Beryl

Mein Hund Beryll

Beryll

Mein Hündchen Beryll

Gedanken von Walter Jonas

lch habe einen Freund verloren und bin untröstlich. Ich frage mich andauernd, wer mir das Recht aufzwang, über Leben und Tod zu entscheiden. - Es musste sein - denn meine Hündin Berryl - von der spreche ich - war alt und sehr krank geworden. Sie konnte nicht mehr stehen, nicht mehr laufen, und nachts wimmerte sie herzzerreißend. - Und doch, als ich sie zum Abschied noch einmal sanft streichelte, lehnte sie ihr Köpfchen fest an meine Hand und ihr warmes Zünglein fuhr schmeichelnd und liebevoll über meine Haut.
Vierzehneinhalb Jahre teilten wir unser Leben und unvergesslich sind mir die Zeiten, als wir zusammen freudig spielten, als Beryll seine Sorgen zerstreute durch ihre äußerste Sensibilität und mir die Schatten, welche das Leben mit sich bringt, verscheucht. Sie war gelehrig, besser: sie wollte, dass ich ihr kleine, harmlose Kunststückchen beibrachte und wenn es endlich glückte, hatte ich das Gefühl als lache sie. Ja - Hunde können lachen; überhaupt gibt es kam ein Wesen, welches so differenzierte Gefühl zum Ausdruck bringen kann wie ein Hund. Das ganze kleine Körperchen war Ausdruck unbändiger Lebensfreude: die Augen, die Pfötchen, der schlanke Leib, der Schwanz.

Viele Preise gewann Beryll - wohl mehr zum Stolze des Besitzers als zur Befriedigung seines Ehrgeizes. Ein Preisrichterspruch aber lautete: "überstrahlt von seltenem Adel“. Diesen Adel, diese Noblesse behielt sie bis zum letzten Augenblick. Ich muss sogar sagen, dass später, als sie schon von Alter, Krankheit und Leiden gezeichnet war, diese Vornehmheit besonders zum Ausdruck kam. lch glaube, sie verheimlichte lange Zeit ihre Schmerzen, um mir keine Sorgen zu machen. Es fiel mir aber auf, dass sie eines Tages nicht mehr nach dem Ball rennen wollte und sich am Rande der Wiese in dichtes Gebüsch verkroch, so, als wollte sie zurück in den Schatten der Erde.

Im Leben und Sterben eines Tieres erleben wir gleichnishaft unser eigenes Schicksal und lernen, wie man es mit großer Würde tragen kann. Mit einem liebgewordenen Tier stirbt ein Teil von uns selbst. Was bleibt, ist unser persönliches, unaussprechliches Leid. Aber auch diese Erinnerung wird mit unserem eigenen Leben vergehen und die Frage nach dem Sinn des Alterns, des Todes - meist vom Bewusstsein verdrängt - steht gross und mächtig und unbeantwortbar vor uns auf. Als mögliche Antwort fällt mir das späte Gedicht von Hölderlin ein:

Die Linien des Lebens sind verschieden

Wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen

Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen

Mit Harmonien, ew'ger Lohn und Frieden.